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Der Fall Rusu in Selişte

Bei einem obligatorischen Besuch der durch uns versorgten Kinderklinik E. Cotaga in Chisinau, machte uns Dr. Tomuz auf ein dreimonatiges Kind, Ana Rusu, aufmerksam, welches schwere Verbrennungen aufwies.

Was war geschehen?
Am Abend des 31. Dezember 2014 bereitete in dem von Chisinau etwa 82 km entfernten Dorf Selişte die Mutter der Familie Rusu das feierliche Abendessen vor. Es wurde ein bisschen mehr als als üblich gekocht. Wie sonst auch, kümmerte sich die Mutter Nina (29 Jahre) um ihre zwei kleinen Kinder: ein dreimonatiges und ein dreijähriges Mädchen, Ana und Valentina. Der Vater, Valeriu, (36 Jahre) arbeitet als Tankwagenfahrer bei einem Wasserversorgungsunternehmen und kam um 18.00 Uhr von der Arbeit nach Hause.

Da die Propangasflasche leer war, ging er zur Tankstelle, um diese wieder auffüllen zu lassen. Währenddessen hat Nina ihre zwei Töchterlein gebadet, damit sie frisch ins neue Jahr rutschen können. Als Valeriu etwa gegen 19,00 Uhr zurückkam, stellte er die 10 Liter Gasflasche in die Nähe des Ofens, ohne sie jedoch angeschlossen zu haben. Die Familie wollte schnell etwas essen, um bis zum feierlichen Abendessen durchhalten zu können. Es war etwa 19:30 Uhr. Plötzlich hörten sie ein Zischen und unmittelbar darauf eine heftige Explosion, bei der alle Fenster und Türen herausflogen.

Der Vater schrie laut: "Rennt um euer Leben!" Die Flammen verbreiteten sich in Windeseile in dem kleinen Häuschen, welches buchstäblich in die Luft geflogen war. Nina war gerade an der Eingangstür. Sie packte ihre dreijährige Tochter und rannte aus dem Haus. Valeriu blieb im Haus, um die dreimonatige Ana aus dem Feuer zu holen. Die Flammen haben hauptsächlich seine Hände, teilweise sein Gesicht und seinen Rücken verbrannt. Die brennende geschmolzene Kunststoffdecke tropfte auf das in seinem Kinderbettchen liegende dreimonatige Kind herab. Der Brand war so heftig, dass sich niemand in die Nähe dieser Hütte traute. Auch die mittlerweile herbeigerufene Feuerwehr konnte nichts mehr retten. Die gesamte Familie wurde mit der Ambulanz in die Bezirksklinik Nisporeni eingeliefert.

Valeriu wurde mit der kleinen Ana unmittelbar auf die Intensivstation gebracht. Die dreijährige Valentina hatte Glück und kam mit 8% Verbrennung ihrer Hautoberfläche glimpflich davon. Nina selbst hatte fast keine Verbrennungen. Wegen der Schwere der Verbrennung des Kleinkindes Ana, wurde aus Chisinau ein Sanitätshubschrauber angefordert, der die Mutter mit beiden Mädchen noch nachts gegen 01:00 Uhr in die durch uns versorgte Kinderklinik in Chisinau brachte.

Die Mutter wurde von dem nur eine Etage tiefer auf der Intensivstation liegendem Kind getrennt, welches notwendigerweise abgestillt werden musste. Die Versorgung mit Kinderflaschennahrung gestaltet sich sehr schwierig. Nur sehr selten hat sie Zutritt erhalten, da das Kind sofort unruhig wird und weint, wenn es die Mutter sieht. Da es fest auf seiner Liege fixiert ist, sind jegliche Bewegungen zu vermeiden, um den Heilungsprozess nicht zu gefährden. Mitte des Monates Januar 2015 konnte der Zustand von Ana als stabil bezeichnet werden.

Als Cristina und ich Ana besuchten, begann das Kind nach Kontaktaufnahme mit Cristina zu lächeln, was uns angesichts des Zustandes dieses kleinen Wesens doch sehr froh machte. Die Familie erholt sich langsam, ist jetzt jedoch obdachlos. In Moldau herrschten zum Zeitpunkt unseres Besuches Minus 25°C. Der Bürgermeister dieser kleinen Ortschaft Selischte kümmert sich darum, eine leerstehende Hütte zu finden, bei der sich die Familie "einmieten" kann. Wir haben Hilfe zugesagt und werden auch diesen Fall längere Zeit begleiten.

Nachdenklich macht mich, dass in Moldau Propangasflaschen keinen technischen Intervalluntersuchungen unterliegen. Bei einem meiner nächsten Aufenthalte in Moldau werde ich das in der Regierung ansprechen. Die Häufigkeit der sogenannten "Gasunfälle" in Moldau erfordert zwingend eine Änderung der derzeitigen Situation.

Ihr Dirk Hartig

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